Kein Arbeitszeugnis? Arbeitgeber muss Schadenersatz zahlen (#Urteil)
Autorin: Claudia Kilian
Erhält ein Arbeitnehmer kein Arbeitszeugnis und bekommt aus diesem Grund keinen neuen Job, so kann er von dem ehemaligen Arbeitgeber Schadenersatz fordern, so das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven.
Im Entscheidungsfall hatte ein Mitarbeiter die Kündigung erhalten. Er forderte seinen ehemaligen Arbeitgeber mehrfach auf, ihm ein Arbeitszeugnis auszustellen. Vergebens. Das machte die Jobsuche nicht gerade leicht. So erhielt er auf zwei Bewerbungen einen Absage, weil er über seine langjährige Tätigkeit kein Arbeitszeugnis vorlegen konnte.
Weil seine Bewerbungen ohne Arbeitszeugnis erfolglos blieben, forderte er von seinem ehemaligen Arbeitgeber Schadenersatz. Dieser weigerte sich, weil er die Erstellung des Arbeitszeugnisses nicht abgelehnt habe. Vielmehr will er den Mitarbeiter aufgefordert haben, selbst einen Entwurf zu schreiben.
Arbeitgeber muss Zeugnis ausstellen
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven war auf der Seite des Arbeitnehmers. Das Unternehmen sei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen (§ 109 GewO und § 630 BGB). Das habe der Arbeitgeber hier nicht getan. Die Aufforderung, selbst einen Entwurf zu schreiben, könne daran nichts ändern. Schließlich ist die Formulierung des Zeugnistextes grundsätzlich Sache des Arbeitgebers.
Arbeitnehmer kann Schadenersatz verlangen
Der Arbeitnehmer im Entscheidungsfall konnte Schadenersatz verlangen, da er kein Arbeitszeugnis erhalten hatte. Als Grundlage des Anspruchs sah das Gericht eine Pflichtverletzung aus § 280 BGB oder einen Schuldnerverzug aus § 286 BGB. Dem Arbeitnehmer sei durch die erfolglosen Bewerbungen wegen des fehlenden Zeugnisses ein Schaden entstanden.
Zusammenhang zwischen Zeugnis und erfolgloser Bewerbung
Der Arbeitnehmer hatte vor Gericht behauptet, durch das fehlende Arbeitszeugnis einen Verdienstausfall erlitten zu haben. Um Schadenersatz geltend machen zu können, müsse er jedoch darlegen und beweisen, dass ein bestimmter Arbeitgeber bereit gewesen wäre, ihn einzustellen, dies aber aufgrund des fehlenden Zeugnisses nicht getan habe. Hierfür reichten dem Gericht wohl Anhaltspunkte und ein wahrscheinlicher Zusammenhang. Der Arbeitnehmer konnte diese Anhaltspunkte liefern und beweisen.
Schadenersatz für sechs Wochen Verdienstausfall
Schließlich ging es vor Gericht noch um die Höhe des Schadenersatzes. Die Richter gingen hierbei von einem Verdienstausfall für sechs Wochen aus. Dies sei der Verdienst, der nach den gewöhnlichen und besonderen Umständen zu erwarten gewesen wäre. Erfahrungsgemäß bleibe ein Arbeitsverhältnis mindestens sechs Wochen bestehen.
Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 06.10.2011, Az.: 1 Ca 1309/10
Bildquelle: Andreas Gruhl/Adobe Stock
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“