Arbeitszeugnis: Befriedigend ist gut genug! (#Urteil)
Autorin: Claudia Kilian
Wer seine Leistungen im Arbeitszeugnis besser als durchschnittlich (also Note „drei“) bewertet haben will, muss gute Gründe vorlegen, warum er eine bessere Beurteilung verdient. Auch dann, wenn in der Branche sonst nur sehr gute und gute Arbeitszeugnisse üblich sind. Mit dem Urteil ist das BAG seiner Rechtsprechung treu geblieben.
Frau Müller hat ihre Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Oder: Frau Müller hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Der Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen ist so klein wie bedeutungsvoll. Das kleine Wörtchen stets (oder: immer, zu jeder Zeit) – macht in diesem Fall einen ganzen Notensprung auf der Zufriedenheitsskala aus.
- stets zu unserer vollsten Zufriedenheit = sehr gute Leistung
- stets zu unserer vollen Zufriedenheit = gute Leistung
- zu unserer vollen Zufriedenheit = befriedigende Leistung
Leistung nur befriedigend
Und um dieses Wörtchen „stets“ im Arbeitszeugnis kämpfte eine Bürofachkraft nun vor dem höchsten Arbeitsgericht. Sie hatte nach einem Jahr am Empfang einer Zahnarztpraxis ein Arbeitszeugnis erhalten, das ihr eine befriedigende Leistung bescheinigte. Die Vorinstanzen hatten der Mitarbeiterin Recht gegeben, da der Arbeitgeber nicht erklärt habe, dass die geforderte „gute“ Beurteilung nicht zutreffend sei.
90 % aller Arbeitszeugnisse sind „gut“ oder „sehr gut“
Die Erfurter Richter blieben jedoch ihrer bisherigen Meinung treu. Danach gilt die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala und damit als Ausgangspunkt. Fordert der Arbeitnehmer im Arbeitszeugnis eine bessere Beurteilung als „befriedigend“, muss er beweisen, dass er den Jobanforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist.
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte zuvor noch argumentiert, dass ein Arbeitszeugnis mit der Gesamtbeurteilung „befriedigend“ nach heutigen Maßstäben keine durchschnittliche Leistung mehr beschreibe. Es berief sich dabei auf aktuelle Studien, wonach 90 % aller untersuchten Arbeitszeugnisse gute und sehr gute Leistungen bescheinigen.
Arbeitszeugnis: Auf die Wahrheit kommt es an
Das BAG ist jedoch in seinem Urteil ganz deutlich: Für die Beweislast kommt es nicht darauf an, welche Zeugnisnoten in der Praxis am häufigsten vergeben werden. Der Zeugnisanspruch richtet sich nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO nur auf ein Zeugnis mit einem entsprechenden Wahrheitsgehalt. Erst in zweiter Linie – im Rahmen der Wahrheit – müsse das Zeugnis wohlwollend sein.
Das BAG hat die Angelegenheit jetzt zurück an das LAG Berlin-Brandenburg geschickt. Die Richter dort müssen jetzt prüfen, ob die Leistung der Bürofachkraft eine gute Beurteilung rechtfertigt. (BAG, Urteil vom 18.11.2014, Az.: 9 AZR 584/13).
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Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“