Arbeitszeugnis: Zusendung dank Rückumschlag (#Urteil)
Autorin: Claudia Kilian
Oft ist das Arbeitszeugnis am letzten Arbeitstag noch nicht fertig. Viele Unternehmen schicken das Zeugnis dann per Post, doch es soll auch Firmen geben, die sich weigern. Schließlich gilt in Sachen Arbeitszeugnis eine sog. „Holschuld“. Das bedeutet, der Arbeitnehmer muss sein Zeugnis beim Arbeitgeber abholen. Doch ein frankierter Rückumschlag kann die Situation ändern.
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, das Arbeitszeugnis in seinen Geschäftsräumen bereit zu halten, bis der Mitarbeiter das Dokument abholt (BAG, Urteil vom 08.03.1995, Az.: 5 AZR 848/93). Idealerweise, das sagen wir aber auch gleich dazu, ist das Arbeitszeugnis auch bereits vor dem letzten Arbeitstag des Mitarbeiters fertig erstellt, besprochen, eventuell geändert und unterschrieben.
Holschuld: Keine Regel ohne Ausnahme
Doch wie so oft gibt es auch Ausnahmen, zum Beispiel dann, wenn der ehemalige Mitarbeiter nach Verlassen des Unternehmens weiter weg verzogen ist und die Abholung des Zeugnisses mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre und der Mitarbeiter um Übersendung gebeten hat (Juristen sprechen hier von einer „nachwirkenden Fürsorgepflicht“).
Holschuld kann sich in Schickschuld umwandeln
Das Gegenteil von einer Holschuld ist die sog. „Schickschuld“ – und in eine solche kann sich die Holschuld auch umwandeln, wenn der Arbeitgeber seiner Verpflichtung (im Büro bereitstellen) nicht nachkommt, zum Beispiel indem er die Ausstellung des Arbeitszeugnisses immer wieder verzögert und damit die Abholung „erheblich“ erschwert.
Wenn schon ein Rückumschlag zur Verfügung steht
Nun ist das Thema Holschuld bei Arbeitszeugnissen mal wieder vor einem Arbeitsgericht aufgetaucht. In dem Fall hatte der Mitarbeiter nach einer Kündigungsschutzklage seinen ehemaligen Arbeitgeber aufgefordert, ihm das Arbeitszeugnis per Post zuzusenden, da er nicht am Firmensitz in Berlin wohne, sondern in Frankfurt/Oder. Seiner schriftlichen Bitte fügte er einen adressierten und frankierten Rückumschlag bei.
Zwangsgeld: Wer trägt die Kosten?
Von Frankfurt/Oder nach Berlin – den Weg kann er sich schon mal machen, dachte sich der Arbeitgeber wahrscheinlich und forderte den ehemaligen Mitarbeiter auf, das Arbeitszeugnis in den Geschäftsräumen abzuholen. Nö, sagte dieser und beantragte ein Zwangsgeld. Das überzeugte wohl den Arbeitgeber, der das Arbeitszeugnis daraufhin tatsächlich per Post sendete. Dennoch trafen sich die Parteien noch einmal vor Gericht, um über die Kosten des gerichtlichen Zwangsgeldverfahrens zu streiten. Immerhin 260 EUR.
Frankierter Rückumschlag hebelte Holschuld aus
Der ehemalige Mitarbeiter erhielt Recht. Auch wenn bei einem Zeugnisanspruch eine sogenannte Holschuld zugrunde liegt, müsse der Arbeitgeber Kosten des Zwangsgeldverfahrens tragen. Die Begründung der Richter: Das BAG lasse regelmäßig Ausnahmen von der Holschuld zu. Tatsächlich sei die Entfernung Berlin – Frankfurt/Oder (100 Kilometer) nicht wirklich so weit, dass eine Abholung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre. Dennoch sei der Arbeitgeber hier verpflichtet gewesen, dem Arbeitnehmer das Zeugnis zuzusenden, da dieser um Übersendung gebeten und extra einen frankierten Rückumschlag beigelegt habe. Spezielle Gründe, die gegen die Bitte auf Übersendung sprachen, habe der Arbeitgeber nicht vorgebracht (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.12.2014, Az.: 16 Ta 1771/14).
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Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“