Welche Zeitform im Arbeitszeugnis die richtige ist
Autorin: Claudia Kilian
Präsens, Präteritum oder Perfekt: Welche Zeitform im Arbeitszeugnis verwendet werden muss, ist nicht immer ganz einfach. Mit ein paar einfachen Regeln lässt sich jedoch auch diese Hürde meistern. In diesem Beitrag erhalten Sie einen guten Überblick.
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Bei der Überprüfung von Arbeitszeugnissen entdecke ich immer wieder falsch gewählte Zeitformen. Ist das so schlimm, werden Sie sich jetzt vielleicht fragen. Nun ja, im schlechtesten Fall kann die Zeitform einen ungewollten Hinweis geben.
Das klingt doch auf den ersten Blick ganz super, oder? Das Problem ist nur, die Passage stammt aus einem Zwischenzeugnis. Die Arbeitgeberseite gibt hier (ungewollt) einen Hinweis, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses bereits feststeht und/oder der Mitarbeiter bereits freigestellt wurde.
Zwischenzeugnis = Präsens, Arbeitszeugnis = Präteritum?
Häufig lese ich, dass man im Zwischenzeugnis generell Präsens (die Gegenwartsform) verwendet, im Arbeitszeugnis hingegen Präteritum (die Vergangenheitsform). In weiten Teilen ist dies sicher richtig, aber pauschal kann man das so leider nicht sagen. Es kommt immer darauf an, was man beschreibt oder beurteilt – und wann man dies tut.
Die richtige Zeitform im Zwischenzeugnis
Bei einem Zwischenzeugnis wird der Mitarbeiter (oder die Mitarbeiterin) in aller Regel weiter im Unternehmen arbeiten (wenn vielleicht auch nur noch bis zum Ende der Kündigungsfrist). Man beschreibt also den Ist-Zustand. Wie arbeitet der Mitarbeiter? Ist er engagiert? Wie verhält er sich?
Hier ist also ganz eindeutig Präsens – die Gegenwartsform – angesagt.
Beschreibt man im Zwischenzeugnis hingegen einen Sachverhalt, der zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden hat, zum Beispiel eine frühere Aufgabe, eine Einarbeitung, Weiterbildung oder ein beendetes Projekt, dann wählt man Präteritum oder Perfekt. Mehr dazu finden Sie in unserem Beitrag So unterscheidet sich das Zwischenzeugnis vom Endzeugnis.
Die richtige Zeitform im Arbeitszeugnis
Welche Zeitform man hingegen im Arbeitszeugnis wählt, kommt darauf an, was man beurteilt:
-> Kenntnisse, Fähigkeiten, Skills:
- Frau Meier ist eine Expertin auf dem Gebiet …
- Herr Müller verfügt über langjährige Berufserfahrung …
- Frau Fischer hat ein sehr großes Organisationstalent … usw.
- Sie verfügt über eine sehr schnelle Auffassungsgabe …
All diese Kenntnisse und Fähigkeiten bleiben Ihnen, auch wenn das Arbeitsverhältnis längst beendet ist. Hier verwendet man folgerichtig Präsens – also die Gegenwartsform. Stellt man einen Bezug zum Arbeitsverhältnis her, wechselt man ins Präteritum:
- Sie verfügt zudem über sehr gute Kenntnisse im Onlinemarketing, die sie in ihrem Tagesgeschäft stets erfolgreich anzuwenden wusste.
- Aufgrund seiner schnellen Auffassungsgabe arbeitete er sich immer in kürzester Zeit in neue Fragestellungen ein.
Die gleichen Regeln würde ich auch für Eigenschaften wie Kreativität, Rhetorik, Durchsetzungsstärke, usw. anwenden. (Sie ist ein sehr kreativer Mensch, rhetorisch versiert, flexibel, durchsetzungsstark usw. Aber: Mit ihrer kreativen Herangehensweise konnte sie stets … Er verstand es, sich in schwierigen Situationen durchzusetzen.)
-> Belastbarkeit, Ausdauer
Es gibt Zeugnis-Kollegen, die auch die Belastbarkeit und Ausdauer zu den bleibenden Eigenschaften zählen. Das sehe ich nicht als falsch an. Ich selbst würde diese Eigenschaften aber immer in Bezug zum Arbeitsverhältnis sehen. Die Arbeitsbelastungen können von Job zu Job unterschiedlich sein. Ich würde die Zeitform im Arbeitszeugnis in puncto Belastbarkeit immer vom Einzelfall – von der Person und vom Job – abhängig machen.
-> Leistungsbereitschaft, Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse
Sowohl die Motivation als auch die Arbeitsweise und der Arbeitserfolg lassen sich nur rückblickend beurteilen. Hier ist immer ein Bezug zu dem jeweiligen Arbeitsverhältnis gegeben. Bei der Beurteilung der Leistungsbereitschaft, Arbeitsweise und der Arbeitsergebnisse ist also Präteritum die richtige Zeitform.
Das Gleiche gilt unbedingt auch für die Zusammenfassende Leistungsbeurteilung, also die Endnote.
-> Sozialverhalten – intern und extern
Auch das Verhalten – sowohl gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern als auch externen Personen – ist im Kontext zum Arbeitsverhältnis zu sehen. Die Beurteilung ist in der Vergangenheitsform zu formulieren.
Darf man auch Perfekt im Arbeitszeugnis verwenden?
Die Zeitform Perfekt wird auch die sogenannte „vollendete Gegenwart“ genannt. Mit dem Perfekt drücken Sie aus, dass eine Handlung in der Vergangenheit abgeschlossen wurde, die meist einen Bezug zur Gegenwart hat. Man verwendet die Zeitform Perfekt vor allem dann, wenn das Ergebnis oder die Folge der Handlung im Vordergrund steht. Und dies gilt auch für Arbeitszeugnisse und Zwischenzeugnisse: Das Perfekt kann im Arbeitszeugnis eingesetzt werden, wenn eine Aufgabe oder ein besonderes Projekt abgeschlossen wurde und man auf den Erfolg hinweisen will. Ein Beispiel?
- Sie arbeitete immer äußerst zuverlässig. (Präteritum)
- Mit sehr viel Engagement hat sie zahlreiche Projekte koordiniert und umgesetzt, die für die geplante Digitalisierung unserer HR-Abteilung notwendig und wichtig waren. (Perfekt)
Zusammengefasst
Ob Präteritum oder Präsens – welche Zeitform im Arbeitszeugnis die richtige ist, lässt sich nicht pauschal sagen. Merken Sie sich als grobe Faustformel: Alle Kenntnisse und Eigenschaften, auf die Sie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vertrauen können, stehen im Präsens. Bezieht sich die Beurteilung nur auf das Arbeitsverhältnis, ist Präteritum angesagt.
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“