Abwicklungsvertrag: Gutes Zeugnis keine angemessene Gegenleistung für Verzicht auf Kündigungsschutzklage? (#Urteil)
Autorin: Claudia Kilian
Ein „gutes Zeugnis“ ist laut BAG keine angemessene Gegenleistung, wenn der Arbeitnehmer auf eine Kündigungsschutzklage verzichten soll.
Eine Kündigungsschutzklage kann für Arbeitgeber durchaus kostspielig werden. Viele versuchen daher, mit einem guten „Angebot“ im Abwicklungsvertrag die gekündigten Mitarbeiter zu bewegen, auf eine Klage zu verzichten. Meist geht es hier um eine nette Abfindung. Oft wird auch über Freistellungen verhandelt, auch bestimmte Zeugnisformulierungen stehen zur Disposition. Doch reicht es als Angebot im Abwicklungsvertrag, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, ein „gutes Zeugnis“ auszustellen. Ist das eine angemessene Gegenleistung für einen Klageverzicht?
Diese Frage hatte das LAG Niedersachsen kürzlich auf dem Richtertisch (Urteil vom 27.03.2014, Az.: 5 Sa 1099/13). Geklagt hatte ein Fleischer, der – nach einer betriebsbedingten Kündigung – mittels Abwicklungsvertrag auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet hatte. Sein ehemaliger Chef hatte sich im Gegenzug verpflichtet, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Note „gut“ auszustellen.
Einige Tage später – vielleicht nach einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt – widerrief er jedoch seine Erklärung und reichte Kündigungsschutzklage ein. Seiner Meinung nach war der Klageverzicht laut Abwicklungsvertrag nicht wirksam.
Angebotene Gegenleistung muss angemessen sein
Das sah das LAG Niedersachsen allerdings anders. Die Richter erklärten den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage für wirksam und stellten fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wurde. Die Begründung: Verzichtet ein Arbeitnehmer auf die Kündigungsschutzklage, ohne dass eine entsprechende Gegenleistung des Unternehmens vorliegt, so sei dies grundsätzlich gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen. Das Gericht könne die Art der Gegenleistung zwar nicht gerichtlich überprüfen, aber man könne doch identifizieren, ob der Arbeitgeber mit einer nicht angemessenen Gegenleistung diesen Grundsatz unterlaufen wolle.
Abwicklungsvertrag: „Gutes“ Zeugnis keine angemessene Gegenleistung
Nach Ansicht der Richter habe der Arbeitgeber des gekündigten Fleischers hier allerdings mit der Erteilung eines qualifizierten „guten“ Arbeitszeugnisses eine angemessene Gegenleistung angeboten. Denn: Ohne Abwicklungsvertrag hätte der Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf ein durchschnittliches Zeugnis mit der Bewertung „zur vollen Zufriedenheit“ gehabt. Die Zeugnisnote „gut“ sei daher tatsächlich eine Gegenleistung.
BAG: Gutes Zeugnis kein besonderer Vorteil
Das sahen die Richter des Bundesarbeitsgerichts allerdings anders: Ihrer Meinung nach müsse die Kompensation von einem solchen Gewicht sein, dass sie einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigung darstelle. Im konkreten Fall müsse daher der vereinbarte Nachteil (Verzicht auf Kündigungsschutzklage) und der gewährten Vorteil (Zeugnisnote gut) gegeneinander abgewogen werden.
Ein gutes Zeugnis reiche als Gegenleistung nicht aus, da der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis habe. Verpflichtet sich der Arbeitgeber nun laut Vereinbarung, ein Zeugnis auszustellen, liegt darin kein spezifischer Vorteil für den Arbeitnehmer. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitgeber zustimmt, ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Beurteilung auszustellen. Entspricht die Zeugnisbeurteilung gut hingegen nicht der Wahrheit, könne man die Vereinbarung grundsätzlich als bedenklich ansehen.
Quelle: BAG, Urteil vom 24.9.2015, 2 AZR 347/14
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“