Gut zu Wissen

Arbeitszeugnis bei Kündigung & Co
8
Apr
2022

Kann man ein Arbeitszeugnis nach Jahren noch einfordern?

Autorin: Claudia Kilian

Wie es eben manchmal so ist: Sie haben einen neuen Job und der hat erst einmal Vorrang. Oder Sie sind im Streit gegangen und haben gerade keine Lust mehr auf den Laden. Doch irgendwann kommt immer der Zeitpunkt (meist bei einer neuen Bewerbung), an dem man merkt: Mist, ich habe für diesen Job kein Arbeitszeugnis. Doch kann man ein Arbeitszeugnis auch noch nach ein paar Jahren einfordern?

Glauben Sie mir, es kommt gar nicht so selten vor, dass wir Arbeitszeugnisse für Arbeitsverhältnisse auf dem Tisch haben, die schon längere Zeit zurückliegen. Gerade in der Pandemie haben viele Mandanten die Zeit genutzt, um ihren Lebenslauf aufzupolieren. Dabei haben sie festgestellt, dass sie für zurückliegende Arbeitsverhältnisse kein Arbeitszeugnis haben. Manche Unternehmen zeigen sich hier entgegenkommend, andere stellen sich quer. Meist ist es nämlich nicht damit getan, ein Arbeitszeugnis rückzudatieren. Oftmals lauern ein paar andere Fallstricke. Doch zunächst die rechtliche Seite.

Verjährung & Verwirkung bei Arbeitszeugnissen

Eins vorweg: Ein einfaches Arbeitszeugnis muss der Arbeitgeber ausstellen, solange er Personalunterlagen von Ihnen hat. Bei einem qualifizierten Arbeitszeugnis, das Leistung und Verhalten beurteilt, sieht die Rechtslage anders aus.

  1. Hier haben wir zunächst sog. Ausschlussfristen, die Sie im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag finden können. Danach müssen Sie das Arbeitszeugnis innerhalb eines bestimmten Zeitrahmen einfordern.
  2. Gibt es keine vertragliche Regelung, greift das Gesetz. Nach § 195 BGB (Verjährung) haben Sie drei Jahre Zeit, um das Arbeitszeugnis einzufordern. Danach gilt der Anspruch als verjährt. Verjährungsbeginn ist Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
  3. Dann haben wir noch die sog. Verwirkung, die von den Gerichten ganz unterschiedlich bestimmt wird. Die Richter gehen davon aus, dass eine Beurteilung nur unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich sei. Das Recht auf Arbeitszeugnis gilt damit als verwirkt, wenn der Arbeitnehmer sich längere Zeit nicht darum kümmert und der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass er kein Zeugnis mehr erstellen muss. ( Das BAG in seinem Urteil vom 17.02.1988 – 5 AZR 638/86 – geht zum Beispiel von 10 Monaten aus.)


Achtung

Halten wir fest: Wenn Sie sich längere Zeit nach der Kündigung nicht darum gekümmert haben, muss der Arbeitgeber Ihnen kein qualifiziertes Arbeitszeugnis mehr ausstellen. Sie können ihn aber dennoch darum bitten und ihm auch Ihre Unterstützung in Form eines Entwurfes anbieten. Mehr als Nein sagen kann der Arbeitgeber nicht. Am besten ist es immer noch, Sie fragen ein qualifiziertes Arbeitszeugnis sofort nach der Kündigung an.

Übrigens kann auch Ihr Recht auf Zeugnisberichtigung verwirkt sein, wenn Sie nicht rechtzeitig eine Korrektur des Arbeitszeugnisses einfordern. Hat der Arbeitgeber böswillig ein ganz mieses Zeugnis ausgestellt, kann der Mitarbeiter sogar 2 Jahre später noch eine Korrektur einklagen.

Rückdatieren oder nicht?

Erklärt sich der Arbeitgeber bereit, nach Jahren noch ein Arbeitszeugnis auszustellen, haben wir immer ein Problem mit dem Ausstellungsdatum. Im Idealfall wird das Arbeitszeugnis rückdatiert. Das muss der Arbeitgeber aber nur, wenn er die verspätete Ausstellung zu verantworten hat (BAG, Urteil vom 09.09.1992, Az.: 5 AZR 509/91). War der Mitarbeiter nachlässig, muss der Arbeitgeber nicht rückdatieren. Aus einem späteren Datum könnte man lesen, dass sich der Mitarbeiter entweder nicht gekümmert hat oder dass es Streit um das Arbeitszeugnis/Arbeitsverhältnis gegeben haben könnte.

Geschäftspapier muss aus der Zeit stammen

Wird ein Arbeitszeugnis rückdatiert, gibt es weitere Feinheiten, auf die man achten sollte. So zum Beispiel auf das passende Geschäftspapier. Liegt ein längerer Zeitraum zwischen Ausstellung und letztem Beschäftigungstag, kann es vorkommen, das mittlerweile das Geschäftspapier bzw. die Angaben darauf geändert wurden, z.B. bei Änderungen in der Geschäftsführung. Passt das Geschäftspapier nicht zu den Gegebenheiten zur Zeit der Kündigung, deutet es darauf hin, dass das Arbeitszeugnis erst viel später ausgestellt wurde.

Stimmt die Unternehmensbeschreibung noch?

Viele Firmen haben einen Standard-Baustein für die Unternehmensbeschreibung im Arbeitszeugnis. Aber auch diese Angaben können sich über einen längeren Zeitraum ändern. Wir hatten kürzlich zum Beispiel den Fall, dass das Unternehmen in der Zeit seinen Standort gewechselte hatte. Achten Sie also immer darauf, dass auch diese Passage passt.

Was, wenn der Vorgesetzte nicht mehr im Unternehmen ist?

In vielen Unternehmen wird das Arbeitszeugnis von einem Fachvorgesetzten unterzeichnet. Das ist (im Idealfall) auch die Person, die die Arbeitsleistung beurteilen kann. Doch was, wenn der Fachvorgesetzte nicht mehr im Unternehmen arbeitet? Wer soll das Zeugnis dann unterzeichnen? Im besten Fall gibt es einen ranghöheren Vorgesetzten, zum Beispiel die Abteilungs-/Teamleitung, die auch früher schon in der Position war. Gleiches gilt für die HR-Leitung. Gibt es das nicht, wird es schwierig. Auf keinen Fall sollte es eine Person sein, die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht im Unternehmen oder in einer gleichrangigen Funktion war.


Und wie können wir Sie unterstützen?

Gerne unterstützen wir Sie bei der Formulierung eines Zeugnisentwurfs. Gemeinsam mit Ihnen achten wir darauf, dass alle wichtigen Aspekte des Arbeitsverhältnisses im Arbeitszeugnis dokumentiert werden. Individuell, wertschätzend, im Einklang mit dem geltenden Recht!  

Hier erfahren Sie mehr über unseren Service.

Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“

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