Muss ehrlich im Arbeitszeugnis stehen? (#Urteil)
Autorin: Claudia Kilian
Kann ein Arbeitnehmer fordern, dass die Eigenschaft ehrlich im Arbeitszeugnis bescheinigt wird? Das LAG Hamm sagt ja, wenn die Eigenschaft branchenüblich ist und der Arbeitnehmer redlich war.
Im Entscheidungsfall vor dem LAG Hamm ging es um die Erwähnung von „Ehrlichkeit“ im Arbeitszeugnis. Geklagt hatte ein ehemaliger Mitarbeiter einer Einzelhandelsfiliale, der zuletzt als Verkaufsstellenleiter tätig war. Insgesamt sieben Jahre war der Mann im Unternehmen beschäftigt, bevor er aus eigenem Antrieb kündigte. Im Zwischenzeugnis wurde ihm bescheinigt, dass er „ehrlich, fleißig, pünktlich und zuverlässig “ ist. Im Endzeugnis fehlte dann allerdings das Wort „ehrlich“. Grund genug, vor Gericht zu ziehen.
An Diebstählen beteiligt?
Vor dem Arbeitsgericht erklärte die Arbeitgeberseite, der ehemalige Verkaufsstellenleiter sei an Diebstählen in seiner Filiale beteiligt gewesen. Man konnte sogar eine handschriftliche Erklärung einer anderen Mitarbeiterin vorlegen, die zugab, an Diebstählen zusammen mit dritten Personen beteiligt gewesen zu sein. Für den ehemaligen Verkaufsstellenleiter nicht nachvollziehbar. Er bestritt den Vorwurf und verlangte eine Berichtigung des Arbeitszeugnisses. Der Arbeitgeber sei zudem an das Zwischenzeugnis gebunden und müsse das ehrlich im Arbeitszeugnis wieder aufnehmen.
Ehrlich im Arbeitszeugnis, wenn branchenüblich
Laut LAG Hamm kann ein redlicher Mitarbeiter fordern, dass die Ehrlichkeit im Arbeitszeugnis erwähnt wird. Allerdings nur, wenn die Eigenschaft branchenüblich ist und das Fehlen darauf hinweist, dass der Mitarbeiter unredlich war. Die Arbeitgeberseite könne das Wort ehrlich hingegen weglassen, wenn der Mitarbeiter in irgendeiner Weise vorsätzlich untreu gewesen sei. Ein bloßer Verdacht soll allerdings nicht ausreichen, da das Arbeitszeugnis Fakten enthalten muss und die Wahrheitspflicht gilt.
Der Verkaufsstellenverwalter im Entscheidungsfall gehört nach Auffassung der Richter zu einem Personenkreis, bei dem ein Hinweis auf die Ehrlichkeit im Arbeitszeugnis erwartet werden kann.
Verdacht auf Straftat reicht nicht aus
Im Entscheidungsfall kam es vor allem darauf an, ob der Verkaufsstellenleiter tatsächlich redlich war. Hier konnte die Arbeitgeberseite jedoch nicht beweisen, dass er an den Diebstählen beteiligt war. Es gab weder Augenzeugen noch konnte der Arbeitgeber die konkreten Details der Diebstähle beschreiben.
Fazit: Die Arbeitgeberseite muss also das Wort ehrlich im Arbeitszeugnis wieder aufnehmen.
LAG Hamm, Urteil vom 31.01.2019, Az.: 11 Sa 795/18
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“