Emotionale Präsenz im Arbeitszeugnis versteckter Hinweis (#Urteil)
Autorin: Claudia Kilian
Der Hinweis auf eine Emotionale Präsenz im Arbeitszeugnis kann darauf hindeuten, dass die Mitarbeiterin ihre Gefühle an den Schultern der (männlichen) Kollegen abarbeitet, sagt das LAG Köln (Urteil vom 15.03.2018, Az.: Sa 15/18).
Wie es meist so ist: Arbeitnehmer und Arbeitgeberseite streiten vor Gericht um Geld und eine Zeugnisberichtigung. Das Ganze endet in einem Vergleich. Darin einigen sich die Parteien auf folgende Formulierung: „Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Gesamtnote „gut“. Die ehemalige Mitarbeiterin hat auch ein neues Arbeitszeugnis erhalten. Dort hatte der Arbeitgeber allerdings lediglich den Satz „Sie hat ihre Aufgaben stets zu unsrer vollen Zufriedenheit erledigt“ hinzugefügt.
Was bedeutet emotionale Präsenz im Arbeitszeugnis?
Bis auf die ergänzte Zusammenfassende Leistungsbeurteilung blieb das Zeugnis jedoch unverändert. Ärgerlicherweise blieben vor allem die folgenden Sätze erhalten:
„Frau S wandte sich allen ihr übertragenen Aufgaben mit Offenheit zu.“
„Frau S zeichnete sich durch emotionale Präsenz und sehr gute Zusammenarbeit mit Kollegen aus.“
„Sie war darüber hinaus gegenüber Vorgesetzten sachbezogen motivierbar, inhaltlich engagiert und hilfsbereit.“
Das lies die ehemalige Mitarbeiterin nicht auf sich sitzen und forderte vor Gericht eine Korrektur des Zeugnisses. Gleichzeitig lieferte sie für alle drei Sätze Gegenvorschläge:
„Frau S arbeitete stets zuverlässig und gewissenhaft.“
„Frau S hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.“
„Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit einwandfrei.“.
Die erste Instanz, das Arbeitsgericht Köln, stimmte ihr zu. Das ursprünglich erteilte Zeugnis entspreche nicht der Note „gut“. Die von der Dame monierten Textpassagen stellten vielmehr negative Bewertungen dar. Diese seien zu entfernen und gegen Formulierungen auszutauschen, die der Gesamtnote „gut“ entsprächen. Zum Beispiel durch die Vorschläge der Mitarbeiterin.
Hat der Arbeitgeber den Vergleich erfüllt?
Gegen das Urteil vom 9.11.2017 hat die Arbeitgeberseite Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da die Zeugnisberichtigung bereits Gegenstand vor Gericht gewesen sei. Per Vergleich habe man sich geeinigt, dass die Mitarbeiterin kein Recht auf eine ausdrückliche, von ihr gewählte Formulierung habe, sondern dass lediglich ein Anspruch auf ein „gutes“ Zeugnis bestehe. Durch die ergänzte Formulierung „Sie hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.“ habe man den Anspruch aus dem gerichtlichen Vergleich erfüllt.
Das sieht das LAG Köln anders. Die ehemalige Mitarbeiter habe aus § 109 GewO in Verbindung mit dem gerichtlichen Vergleich ein Recht auf Erteilung eines Zeugnisses mit dem von ihr beantragten Wortlaut.
Diese Formulierungen hinterlassen einen negativen Eindruck
Die Formulierungen „Frau S wandte sich allen ihr übertragenen Aufgaben mit Offenheit zu.“ und „Frau S zeichnete sich durch emotionale Präsenz und sehr gute Zusammenarbeit mit Kollegen aus.“ können beim Leser das Bild einer Mitarbeiterin entstehen lassen, die Begeisterung und/oder Verzweiflung an den Schultern oder in den Armen ihrer Kolleginnen und (oder doch nur?) ihrer männlichen Kollegen abarbeitet.
Die Formulierung „Sie war darüber hinaus gegenüber Vorgesetzten sachbezogen motivierbar, inhaltlich engagiert und hilfsbereit“ lege hingegen nahe, dass die Mitarbeiterin in Bezug auf ihre Chefs nur in der Lage ist, eine „sachbezogene“, aber offensichtlich keine persönliche/menschliche Beziehung aufzubauen. Es könne weiter der Eindruck entstehen, die Mitarbeiterin sei nur „inhaltlich“, nicht aber persönlich engagiert gewesen. Das „Wort“ hilfsbereit – ohne weitere Konkretisierung und Steigerungsform (sehr hilfsbereit), könne bedeuten, dass sie zum Beispiel ihr zugewiesene Vertretungsarbeit ohne Murren zu erledigen versuchte.
Alles in allem sind Formulierungen, wie etwa der Hinweis auf eine emotionale Präsenz im Arbeitszeugnis, offensichtlich nicht geeignet, Teil eines „guten“ Zeugnisses zu sein. Damit habe die Arbeitgeberseite nicht ihre Pflicht aus dem Vergleich erfüllt. Die Richter stellen darüber hinaus fest, dass es grundsätzlich Sache des Arbeitgeber sei, das Zeugnis zu formulieren. Tut er dies jedoch nicht und macht er auch vor Gericht keinen adäquaten Formulierungsvorschläge, so sind die Vorschläge der Arbeitnehmerin zu übernehmen, soweit sie angemessen sind oder – wie hier – der vereinbarten Schlussnote entsprechen.
LAG Köln, Urteil vom 15.03.2018, Az.: Sa 15/18
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“