Woran erkennt man, ob ein Arbeitszeugnis selbst geschrieben wurde?
Autorin: Claudia Kilian
Lassen Sie mich raten: Sie suchen gerade im Internet nach Informationen, um Ihr Arbeitszeugnis selbst zu schreiben? Nun ja, aus jahrelanger Erfahrung kann ich sagen: Das Schreiben von Arbeitszeugnissen ist keine Rocket Science. Aber es gibt eben jede Menge Stolperfallen. Dieser Beitrag soll Sie dafür sensibilisieren, woran erfahrene Zeugnisleser ein selbst geschriebenes Arbeitszeugnis erkennen.
Inhalt
Grundsätzlich ist es Aufgabe des Arbeitgebers, ein wohlwollendes Arbeitszeugnis auszustellen. Dennoch erstreiten viele Arbeitnehmer vor Gericht die Möglichkeit, einen eigenen Zeugnisentwurf vorlegen zu dürfen oder verhandeln das Arbeitszeugnis im Aufhebungsvertrag. Andere wiederum nehmen die Sache gleich selbst in die Hand, da der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht oder nur unzureichend nachkommt. Voller Elan durchforsten sie das Internet nach klangvollen Formulierungen und reihen Baustein um Baustein aneinander. Da kann gut gehen. Meist tut es das aber nicht. Die folgenden Stolperfallen gilt es dabei zu vermeiden.
Zeugnis aus Textbaustausteinen = selbst geschriebenes Zeugnis?
Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass man ein selbstgeschriebenes Arbeitszeugnis an standardisierten Textbausteinen erkennen soll. Zugegebenermaßen musste ich kurz schmunzeln, weil 90 % aller Arbeitszeugnisse, die mir zur Analyse oder Überarbeitung vorliegen, aus standardisierten Textbausteinen bestehen. Das ist nun wirklich kein Erkennungsmerkmal.
Ohne rote Faden, dafür doppelt und dreifach
Allerdings sehe ich immer wieder Arbeitszeugnisse, bei der eine Vielzahl von Textbausteinen wild aneinander gereiht wurde. Gerne auch nach dem Motto „Mehr ist mehr.“ Das Ergebnis ist ein Dokument, in dem Leistungskriterien mit verschiedenen, teils widersprüchlichen Formulierungen beurteilt werden. In Absatz 1 eine Aussage über das sehr gute fachliche Wissen. 5 Zeilen weiter geht es erneut um Kenntnisse, die jetzt aber nur noch umfassend (d.h. gut) sind. Weiter unten haben wir noch besondere Kenntnisse und die Weiterbildung. Das Sammelsurium an unzähligen Bausteinen und der fehlende rote Faden können in der Tat einen Hinweis geben, dass man das Arbeitszeugnis selbst geschrieben hat. Aber: Ich habe mittlerweile auch viele widersprüchliche Arbeitszeugnisse gesehen, die von Vorgesetzten und Personalern mit wenig Lust und Wissen erstellt wurden. Auch das ist also kein eindeutiges Zeichen.
Der Umfang: Das Zeugnis ist zu lang
Wer mich und meine Arbeit kennt, weiß, dass ich in Sachen Umfang nicht starr an der Faustformel (maximal 2 Seiten) festhalte. Manchmal geht es aber einfach nicht kürzer, gerade bei langjährigen Mitarbeitern mit mehreren Stationen im Arbeitsverhältnis. Nichtsdestotrotz muss ich öfter Mandanten einbremsen, weil sie so viele Aspekte wie möglich im Arbeitszeugnis erwähnen wollen. Es besteht einfach die Gefahr, dass ein sehr umfangreiches Zeugnis nicht zu Ende gelesen oder nur überflogen wird. Gehen Sie davon aus, dass kein Arbeitgeber so ein umfangreiches Arbeitszeugnis schreiben würde. (Ausnahmen bestehen im Medizinbereich, hier wird aber oftmals das Klinikumfeld sehr detailliert beschrieben.)
Die Aufgabenbeschreibung: bitte nicht bis ins letzte Detail
Wer einen komplexen Job ausübt oder schon viele Jahre in einem Unternehmen ist, der hat/hatte zwangsläufig viele Aufgaben. Und auch das sorgt immer wieder für sehr lange Arbeitszeugnisse. Jetzt achte ich immer schon darauf, dass die Tätigkeitsbeschreibung sehr klar und verständlich ist. Aber bei 2 Seiten Aufgaben schreite ich ein (eigentlich schon vorher). Was war Ihre Hauptverantwortung? Ihre Hauptaufgabe? Darunter kann man einzelne Aufgaben dokumentieren. Aber bitte nicht bis ins letzte Detail. Ich nenne das immer „die „Meta-Ebene“. (sehr vereinfachtes Bsp.: Bestellung von Büromaterial statt von Kopierpapier, Stiften, …) Gerade im sozialen Bereich wird gerne mal die Zielsetzung der Aufgabe (Sicherung des Kindeswohls, Förderung von Partizipation) mit genannt, auch die Teilnahme an diversen Weiterbildungen. Das gehört ebenfalls nicht hier hin.
Oft sehe ich auch die Formulierungen „eigenverantwortliche Bearbeitung von …“ oder „selbstständige Analyse von … „. Auch das kann einen Hinweis darauf geben, dass das Arbeitszeugnis selbst geschrieben wurde. Ein Arbeitgeber setzt das doch in den meisten Fällen voraus, oder was meinen Sie?
Zeugnis zu überschwänglich
Oft begegnen mir auch Arbeitszeugnisse, die teilweise sehr überschwänglich sind. Da ist von immenser Leistungsbereitschaft oder extremer Arbeitsbelastung die Rede. Natürlich lebt die Zeugnissprache von sprachlichen Verstärkern. Aber manchmal ist es selbst mir too much. Das Arbeitszeugnis muss authentisch sein. Zu überschwängliche Formulierungen wirken unglaubwürdig. Ein eindeutiges Erkennungszeichen für ein selbst geschriebenes Arbeitszeugnis ist dies allerdings nicht, die immense Leistungsbereitschaft findet sich zum Beispiel auch in einer bekannten Zeugnis-Software.
Die Perspektive: Würde ein Arbeitgeber das schreiben?
Ein weiterer Punkt, an dem ich Mandanten hin und wieder in die richtige Bahn lenken muss, ist der Fokus. Viele legen ihre eigene Perspektive zugrunde, was ich auch verstehen kann. Die meisten brennen für ihren Job und sind stolz darauf, was sie gemacht oder erreicht haben. Und dann setzen sie die innerbetriebliche Brille auf und beschreiben zum Beispiel Probleme, Hindernisse, Hürden. Man kann durchaus schreiben, dass Sie Personalmangel über einen längeren Zeitraum ausgeglichen haben. Das zahlt auf Ihr Engagement ein. Aber dass Sie eine sehr umfangreiche Aufgabe innerhalb von 6 Wochen geschafft haben, das weiß nach einer gewissen Zeit niemand mehr so genau (außer Sie selbst!).
Die Arbeitgeberseite konzentriert sich im Arbeitszeugnis eher auf Ergebnisse als auf den Weg dorthin. Im Zweifel weiß nicht einmal Ihr Vorgesetzter, welche Hindernisse Sie auf dem Weg zum Ergebnis zu nehmen hatten (HR schon gar nicht!).
Und dann haben wir noch die Rechtschreibung
Auch Orthografie- und Grammatikfehler würde ich aus meiner Erfahrung heraus nicht als eindeutigen Hinweis werten, dass das Arbeitszeugnis selbst geschrieben wurde. In jedem zweiten Arbeitszeugnis, das wir analysieren, finden sich Schreibfehler (-> Die häufigsten Schreibfehler in Arbeitszeugnissen). Dennoch ist die Fehlerwahrscheinlichkeit bei Arbeitszeugnissen, die mit Zeugnis-Generatoren erstellt wurden, einfach geringer. Lassen Sie das Dokument im Zweifel noch einmal Korrektur lesen oder verwenden Sie (kostenlose) Tools, wie zum Beispiel den Duden-Mentor.
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“