Brauche ich wirklich ein Zwischenzeugnis?
Autorin: Claudia Kilian
Immer wieder „brauchen“ Mandanten ganz dringend „dieses Zwischenzeugnis“, um sich bewerben zu können. Auch wenn das sicherlich hilfreich im Bewerbungsverfahren ist – ein Arbeitgeber kann nicht erwarten, dass Sie ein aktuelles Zwischenzeugnis haben. (Es gibt nämlich keinen rechtlichen Anspruch darauf.) Ich möchte Ihnen jedoch zwei andere Gründe aufzeigen, warum Zwischenzeugnisse wichtig sind.
Hin und wieder habe ich Mandanten, die mehr als 20 Jahren für ein Unternehmen arbeiten. Und wie es oft bei einer langjährigen Unternehmenszugehörigkeit so ist: da gibt es Unternehmensverkäufe, Umstrukturierungen, Abteilungswechsel, Beförderungen, Aufgabenwechsel. Auch die Funktion wird bei gleichbleibender Tätigkeit gerne mal umbenannt. Was denken Sie, wie so ein Arbeitszeugnis nach 20 Jahren aussieht? Letzte Woche hatte ich wieder so ein Zeugnis auf dem Tisch. Sage und schreibe 8 (acht!) Seiten. Mal abgesehen davon, dass die Dame in der HR-Abteilung augenscheinlich mehrere Tage daran gearbeitet haben muss – Wer soll denn das lesen? Und möchte ein potentieller Arbeitgeber wirklich im Detail prominent auf Seite 1 lesen, was der Bewerber 1997 gemacht hat – wenn er/sie doch in den letzten Jahren viel spannendere Aufgaben, vielleicht sogar eine Führungsrolle, übernommen hat.
Kann man auf Zwischenzeugnisse verweisen?
Meine erste Frage lautet in solchen Fällen immer: Haben Sie Zwischenzeugnisse, auf die wir verweisen können? Leider ist das nicht oft der Fall. Gerade bei langjährigen Beschäftigungsverhältnissen ist es aber ein klarer Vorteil. Hier könnte man nämlich im Endzeugnis alle Stationen/Funktionen kurz benennen, dann aber auf das separate Zwischenzeugnis über den jeweiligen Zeitraum verweisen.
Was, wenn man kein Zwischenzeugnis hat?
In dem Fall mit den acht Seiten hatten wir leider kein Zwischenzeugnis zum Verweisen. Die Delete-Taste glühte, vor allem war jedoch Fingerspitzengefühl gefragt. Bei der Zeugnis-Überarbeitung habe ich mich vor allem darauf konzentriert, die aktuelle – anspruchsvollste – Position bestmöglich darzustellen. Ein Arbeitgeber möchte doch in erster Linie Ihre aktuellen Erfahrungen wissen. Die weiteren Stationen habe ich- je nach Wichtigkeit und zurückliegender Zeit – kurz skizziert bzw. mit der Hauptverantwortung/-aufgabe beschrieben.
Wenn Sie mit dem neuen Chef nicht können
Interessanterweise habe ich in der gleichen Zeit ein Arbeitszeugnis bearbeitet, das ebenfalls über 20 Jahre im Unternehmen dokumentierte. Glücklicherweise hatten wir hier ein sehr gutes Zwischenzeugnis für einen Verweis. Aber: Während das Zwischenzeugnis noch sehr positiv ausfiel, kam das endgültige Arbeitszeugnis äußerst mager daher. Hier hatte der Vorgesetzte vor einem Jahr gewechselt und Überraschung: Das Verhältnis war nicht das Beste, was man auch aus dem Endzeugnis rauslesen konnte. Das ist natürlich ungerecht. Sie haben über 20 Jahre tolle Arbeit geleistet und jetzt kommt da so ein „Lackaffe“ daher und macht alles kaputt. So geht das natürlich nicht: Das Arbeitszeugnis muss das gesamte Arbeitsverhältnis beschreiben und eben nicht nur das letzte Jahr. Wenn Sie jetzt anhand von Zwischenzeugnissen (natürlich auch Zielvereinbarungsprotokollen etc.) belegen können, dass Sie 19 Jahre super gearbeitet haben, haben Sie die besten Argumente für eine Zeugniskorrektur an der Hand.
Darum sind Zwischenzeugnisse wichtig
Mit einem Zwischenzeugnis schaffen Sie Fakten:
- Sie dokumentieren einen Zeitraum und/oder eine abschließende Aufgabe.
- Sie haben einen Beleg dafür, dass Sie gut gearbeitet haben, wenn es mit einem neuen Chef nicht so gut klappt.
- Ist das Zwischenzeugnis aktuell (ca. 1 bis 2 Jahre), darf der Arbeitgeber auch kein schlechteres Endzeugnis ausstellen (#Bindungswirkung)
Wir empfehlen daher dringend: Wann immer Sie die Möglichkeit haben, ein Zwischenzeugnis anzufordern, bitte tun Sie es. Es könnte im Übrigen auch sein, dass das Zwischenzeugnis ganz besonders gut ausfällt, da man Sie ja im Unternehmen halten möchte (#Wertschätzung, #Anerkennung).
Autorin: Claudia Kilian
Zeugnis-Expertin, Volljuristin, Fachbuchautorin mehrerer Bücher über Arbeitszeugnisse, langjährige Lektorin.
Seit 2008 der Kopf hinter „Mein-Arbeitzeugnis.com“